Geschichte
Politik und Handarbeit sind schon seit langem miteinander verknüpft, so wurden z.B. schon im 2. Weltkrieg amerikanische Frauen, Männer und Schüler dazu zum Stricken aufgefordert um die Truppen warm zu halten und die Kriegsmoral auf hohem Niveau.
1941 war im damals populären „Life“-Magazin die Titelseite dem Stricken gewidmet als Antwort auf die Frage, was man zum Kriegsgewinn beisteuern könne. Stricken wurde somit zu einem Beitrag, den jeder von zu Hause leisten konnte.
Erstmals trat die Idee, Strickwerk als Streetart zu begreifen, 2005 bewusst in Erscheinung, als die Gruppe KnittaPlease um die Gründerin Magda Sayeg begann, öffentliche Gegenstände in Gestricktes zu kleiden. Bei groß angelegten „Yarn Bombings“, also Strick-Attacken der global verzweigten Urban Knitting- oder auch Guerilla Knitting-Bewegung, formieren sich oftmals bis zu Hunderte TeilnehmerInnen und stricken sogar ganze Brücken ein, wie etwa in Cambridge 2010 (Projekt „Knitbridge“). Auch heute werden gestrickte Werke noch zu karitativen Zwecken eingesetzt (so wie in Kriegszeiten), z.B. spendete „Anarchist Knitting Mob“ hunderte selbstgestrickte Mützen für Frühchen an Krankenhäuser.
http://www.historylink.org/index.cfm?DisplayPage=output.cfm&File_Id=5722
Yarn Bombings als Kommunikationsmittel im öffentlichen Raum:
- Sichtbarmachen und Auseinandersetzung mit der Frage, wem der öffentlichen Raum gehört, welche Handlungen darin möglich sind und wie er genutzt wird bzw. werden darf, wer bekommt Raum bzw. wem wird ein Denkmal gesetzt??
- Rückeroberung des öffentlichen Raums, der im neoliberalen Strukturwandel abhanden gekommen zu sein scheint. Raum ist ein knappes Gut geworden, das von vielerlei Interessen geprägt und vereinnahmt wird.
- Aufmerksamkeit erregen für mehr Wärme in der Welt => Wiederbelebung des öffentlichen Raums durch individuelle Gestaltung
- Stricken, wenn es zur Kommunikation im öffentlichen Raum eingesetzt wird, hat ein sehr überraschendes, irritierendes und aufweckendes Potential => teilweise ins Lächerliche ziehen und Kritik am öffentlichen Raum üben
Guerilla-Stricken ist das freundlichere Graffiti:
- Objekte des urbanen Raums werden verändert und können ebenso wie Graffiti fast überall angebracht werden
- mit Wollgraffiti werden harte, kalte Sachen überzogen (Türklinken, Straßenschilder, Gartenzäune, Laternenpfosten, etc.)
- Zeugen von der Anwesenheit eines Urhebers, aber am Gegensatz zum Graffiti wird bei dieser Form des Sich-Einschreibens in den öffentlichen Raum weder etwas beschädigt, noch auf den Autor oder die Autorin verwiesen.
Stricken in Aktion wird zum Statement. Urbane StrickistInnen vernetzen sich weltweit, Strickbilder werden ins Internet gestellt, Treffen werden organisiert. Dadurch entstehen sogenannte „digitale Outdoorkulturen“.
Stricken als Teil der Kulturgeschichte und eine Form des Radical Crafting:
Traditionelle Handarbeit und ihre Applikation für die Gegenwart steht im Mittelpunkt, genauer:
Zentrales Anliegen ist die Hinterfragung von traditionell weiblich konnotierte Arbeit:
=> da sie früher hauptsächlich in den eigenen vier Wänden stattfand und vornehmlich dekorativen Zwecken, diente, während die männliche Produktivität öffentlichen Raum gestaltete, der bis heute existiert. Die Transformation des textilen Handwerks in den öffentlichen Raum markiert eine Verschmelzung beider Bereiche und wird dadurch zum politischen Statement.
Möglichkeit des Protests gegen industriell produzierte Massenware
Stricken als Entlastungsphänomen in der heutigen Stressgesellschaft:
- Produktive, regenerative Kraft des Strickens => Entlastungsverhalten im stressigen Alltag
- Umsetzung des „Chillphänomens“ => harte Gegenstände zuhäkeln
- Wirkt meditativ
- Gibt Kraft und Zuversicht selbst etwas herzustellen, Ideen entwickeln und umsetzen, Kreativität, Einfallskraft werden gefördert
http://gesundesleben.at/lebensraum/freizeit/woll-lust-und-nadelfieber-ansteckung-erwuenscht
Stricken als Ausdruck von Feminismus:
- Radical crafting verbindet das Do-it-yourself-Prinzip mit Kunst und Politik => Frauen bauen dadurch „Communities“ auf
- Die Herabwürdigung von Stricken selbst geht Hand in Hand mit der Herabwürdigung von traditionell wieblichen Aktivitäten
- Wie beim Riot Grrrl movement ging es um Kreativität, künstlerische Fertigkeiten und Anwendung, der Schaffung von Persönlichem, Einzelanfertigungen, etc.
- Aus dieser Idee entsteht auch der „Craftivism“, eine Verbindung von Craft und Activism, welcher nach einer besseren Art zu leben mittels künstlerischem Schaffen strebt. Alles was durch die eigenen Hände geschieht, hat mehr Bedeutung und führt auf eine eigene Entscheidung zurück. Selbst etwas darzustellen hat emanzipatorisches Potential
Weiterführende Links:
Super Artikel zu Feminismus und Stricken: http://www.thirdspace.ca/journal/article/viewArticle/pentney/210
http://massiveknit.blogspot.com/2006/05/knitting-and-activism.html
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4975&Alias=wzo&cob=552703
http://fm4.orf.at/stories/1677882/
http://massiveknit.blogspot.com/2006/05/knitting-and-activism.html
http://www.craftivism.com/what.html
http://www.grrrlzines.net/interviews/hoopla.htm
http://www.trendhunter.com/trends/knitting-as-political-protest